Kreisthemen der grünen Fraktion

Aus einem Interview von Fraktionssprecher Reinhard Bussenius in den Kreiszeitungen:

Fragen an Reinhard Bussenius In ihrer Klausurtagung haben die Grünen ihre Schwächen in Kreistagsfraktion und Ortsverbänden „schonungslos analysiert“. Wo liegen diese und wie sollen sie behoben werden?

Die Grünen im Kreistag sind mit 4 Abgeordneten eine kleine Fraktion. Alle haben neben z.T. beruflichen Anforderungen weitere politische und ehrenamtliche Funktionen, z.B. im Umweltschutz, in kulturellen und sportlichen Bereichen. Wir haben uns alle mehr Impulse in der Kreispolitik vorgenommen. Das ist besonders gegen die neue CDU Kreistagsmehrheit schwierig, zumal deren Politik eigentlich maßgeblich aus der Kreisverwaltung heraus entwickelt wird. Diese personelle zahlenmäßige Schwäche wollen wir nun ausgleichen: Die Zuarbeit aus dem Kreisvorstand und den Ortsverbänden soll erheblich verbessert werden. Denn auch an der Basis haben wir Grünen richtig gute Experten, insbesondere im Bereich Umwelt. Dazu haben wir ein internes Netzwerk eingerichtet – im grünen internen „Wurzelwerk“ - über das Ortsverbände und Mitglieder Vorschläge, Anfragen und Anträge für den Kreistag einbringen und so die Arbeit der Fraktion unterstützen können. Außerdem sollen dazu auf einer weiteren Klausurtagung des Grünen Kreisverbandes im April Arbeitsgemeinschaften für bestimmte Themen geschaffen werden. Gleichzeitig wurden die Stärken erarbeitet.

Welches sind die besonderen Stärken insbesondere des Kreisverbands und der Kreistagsfraktion?

Eine Schwäche ist zunächst auch die Diskussionsfreudigkeit in unserer Fraktion und auch bei den Grünen insgesamt. Wir haben bei uns selbstbewusste Individualisten. Da dauert manches länger. Wir denken, dass das aber auch eine Stärke ist. Nur so ergeben sehr fruchtbare Diskussionen auf breiter Basis: und nur so werden demokratische Prozesse entwickelt und auch Alternativen durchdacht.

Das Thema Wasserversorgung soll ein Schwerpunktthema für die Arbeit im Landkreis sein. Worum genau geht es da, was wollen Sie wie erreichen?

Das Thema „Wasser“ ist nicht nur ein weltweites Problem, sondern auch im Landkreis Rotenburg ein sehr wichtiges Thema. Einerseits sind wir privilegiert, weil wir sehr gutes Trinkwasser, nicht nur aus der „Rotenburger Rinne“ bekommen, auf der anderen Seite ist dies durch die Überdüngung der Böden gefährdet. Und nicht nur der Wasserversorgungsverband Rotenburg-Land und die anderen Wasserversorger warnen vor dem massiven Stickstoffeintrag. Hauptverursacher sind die Gülle aus der Massentierhaltung und die Gärreste aus den Biogasanlagen. Der Grenzwert für die Nitratwerte von 50 Milligramm pro Liter wird in vielen Teilen des Landkreises erheblich überschritten. Der LK muss der Kontrollpflicht zur Grundwasser- und Gewässerreinhaltung in größerem Maße nachkommen. Unsere Region ist durch die Erdgasförderung und der industriellen Landwirtschaft überproportional belastet. Die Genehmigungsverfahren zum Bau oder zu einer Erweiterung von Großmastanlagen müssen kritischer gefasst werden, die Kapazität ist schon jetzt überschritten. Deshalb soll sich der Landkreis auch stärker finanziell an freiwilligen Vereinbarungen zum Trinkwasserschutz zwischen den Wasserversorgern, der Landberatung und den Landwirten einbringen. Der überschüssige Eintrag von Stickstoff und Phosphor ist nach wie vor messbar und die freiwilligen Maßnahmen müssen zum selbstverständlichem Handeln für die Bewahrung unserer natürlichen Lebensgrundlagen werden. Die „Grünen“ fordern eine stärkere Begrenzung des Wirtschaftsdüngers – nicht nur durch strengere Auflagen und Kontrollen, sondern vor allem durch eine Rückbesinnung der ökologischen Landwirtschaft

Das Thema Fracking wird als ein zentrales Anliegen der Grünen bezeichnet. Was stehen von Ihrer Seite konkret als nächste Maßnahmen/Initiativen an?

Wir „Grünen“ sind mit dem neuen Fracking- Gesetz überhaupt nicht einverstanden, weil es weiterhin die riskante Fördertechnologie „in Sandstein“ erlaubt. Genau dieser Untergrund ist im Landkreis vorherrschend. Vollkommen inakzeptabel ist die Bohrstelle „Bötersen Z11“, weil die Querbohrung unterhalb der „Rotenburger Rinne“ verläuft und damit bei einem Schadensfall eine sehr große Gefahr für das Trinkwasser darstellt. Auch das immer noch angewendete Verpressen von Lagerstättenwasser in Tiefen von 600 bis 1000 Meter müsste sofort beendet werden. Zum Schutz der Trinkwasservorranggebiete müssen die Forderungen der Wasserversorger oberste Priorität haben. Wir erwarten, dass auch ein CDU geführter Landkreis dahinter steht. Von eventuellen Frackingmaßnahmen zur Erdgasförderung an den jetzt ruhenden Förderstellen muss die Öffentlichkeit unverzüglich in Kenntnis gesetzt werden. Weiterhin müssen unbedingt Kontrollen von Erdgasförder- und Verpressstellen im Hinblick auf ihre Umweltgefährdung erfolgen. Wir werden alle Bürgerinitiativen gegen das Fracking unterstützen und alle Genehmigungsanträge im Kreistag ablehnen.

Stichwort Deponie Haaßel: Welche Möglichkeiten sehen Sie, diese zu verhindern?

Zunächst einmal: Der Standort Haaßel direkt neben einem Naturschutzgebiet ist unhaltbar. Das angeregte neue Suchraumverfahren wurde niemals betrieben. Zudem wurden in der Vergangenheit einige Fakten geschaffen, an denen wir im Kreis nur schwer vorbei kommen: Sachzwänge, Vorschriften, Vorgaben sind zu beachten. Auch hier ist von Unterstützung der Verwaltung beim Kampf gegen die Deponie nicht zu spüren. Vielleicht können Probleme mit der Umsetzung der Deponie – z.B. bei der Behandlung des Oberflächenwassers etwas bewirken. Wichtig ist jedenfalls, den öffentlichen Druck gegen die Deponie aufrecht zu erhalten.

Beim Ausbau des ÖPNV ist die Bahnstrecke Bremervörde-Fredenbeck-Stade explizit aufgeführt. Hat diese für Sie mit Blick auf den SPNV Priorität? Wie stehen die Grünen zu einer Wiederbelebung der Bahnstrecken Bremervörde-Zeven-Rotenburg (gerade auch angesichts dessen, dass im Nahverkehrsplan nun eine Buslinie auf der Strecke fahren soll), Zeven-Tostedt und Moorexpress?

Eine gute Taktung des Busverkehrs, schnellere Verbindungen durch optimierte Streckenführung und die Verbesserung der Haltestellen sind erst einmal wichtig und das stärkt den öffentlichen Nahverkehr. Die Strecke Bremervörde-Zeven-Rotenburg ist entsprechend ausgestaltet. Wir müssen sehen, wie das in den nächsten Jahren von den Fahrgästen angenommen wird. Einfach mal so eine Bahnstrecke zu reaktivieren halten wir für wenig sinnvoll. Das gilt an sich auch für die Moorexpress-Strecke Bremen-Osterholz-Bremervörde-Stade. Die Initiativen aus Fredenbeck und dem Stader Raum zur Reaktivierung dieser Bahnstrecke sollten wir unterstützen. Warum sollte da nicht etwas daraus entstehen. Aktuell sehen wir aber eine landesbedeutsame Busverbindung Strecke Zeven-Bremen im Vordergrund, die entsprechend auch gefördert werden könnte.

Die Grünen haben dem neuen Nahverkehrsplan zugestimmt. Reichen die darin aufgeführten Maßnahmen aus/welche Aspekte fehlen aus Ihrer Sicht?

Eben die Verbindungen nach Stade sollten im Fokus bleiben. Ansonsten müssen die Erfahrungen u.a. auch mit dem Projekt Anruf-Sammeltaxi im Südkreis und mit den Linienverbesserungen genau untersucht werden. Die Grünen haben angeregt, mindestens jährlich die Fahrpläne zu prüfen und ggf. anzugleichen. Da wird sich einiges entwickeln, u.a. die Rufsysteme werden zunehmen. In Verbindung mit der zunehmenden Verwendung von Smartphones ist da einiges zu optimieren. Die Fahrradinfrastruktur muss verbessert werden, besonders im Hinblick auf Pedelecnutzung, das heißt „bike and ride“ Parkplätze, Fahrradspuren in Städten und sichere, ausreichende Stellplätze an Schulen und Betrieben und auch abschließbare Fahrradgaragen.

Müssen bei der Ausweisung von Naturschutzgebieten strengere Vorgaben für die Nutzung der Flächen gemacht werden, als dies zuletzt geschehen ist? Wo müssten sie ggf. schärfer gefasst werden?

Bei der Ausweisung der NSG muß kritisiert werden, dass der Landkreis sich nicht an der Musterverordnung des NLWKN orientiert, weshalb es nicht zum ausreichenden Schutz und zur Förderung vor artenreichen Feucht -und Grünlandstandorten kommt. Der Wegfall der Grünlandprämie unter der neuen Landesregierung besiegelt eine weitere Gefährdung unserer Grünlandflächen im Landkreis. Das hat nicht der ehemalige grüne Landwirtschaftsminister zu verantworten, sondern das ist eine Entscheidung der jetzigen Koalition. Ein Grünlandmanagementplan ist bei der weiteren Ausweisung der NSG besonders an den großen Gewässern Wümme und Oste unbedingt erforderlich. Dazu gehören auch die Ausweisung breiterer Gewässerrandstreifen und deren Nutzungseinschränkung, wie das Ausbringen von Stickstoff und Chemikalien sowie regelmäßige Neuansaaten. Im Übrigen ist das eine Forderung, die auf der Grundlage zur Einhaltung der Europäischen- Wasserrahmen-Richtlinie (WRRL) fußt. Die Naturschutzbehörde des Landkreises arbeitet sehr gewissenhaft an einer möglichst guten Ausweisung der NSG, wenn wir aber ein zufriedenstellendes Ergebnis erzielen wollen, müssen alle Beteiligten, also Politik, Verbände und Eigentümer mehr Willen zum Erhalt von Biotopen und ihrem Artenvorkommen zeigen. Noch aber läuft alles auf eine „Maximal Nutzung“ hinaus. Das betrifft nicht nur die Landwirtschaft, auch die Kommunen lassen bei der Ausweisung von Straßen und Bauland freiwillig keine Einschränkung zu. Die gesetzlichen Vorgaben werden stattdessen noch bis auf Äußerste ausgereizt. Ein zwingend notwendiger Biotopverbund wird dadurch immer schwieriger. Wir müssen in unserer Landschaftsplanung viel vorausschauender werden. Und das ist die Stärke von grüner Politik, die sich nicht dem Wachstumsmantra unterwirft, sondern deren Grenzen aufzeigt. Der Klimawandel schreitet trotz aller Warnungen weiter voran, unsere Ressourcen verzehren sich durch unseren ungebremsten Konsum und unser Verhalten wird gesellschaftliche Umbrüche hervorbringen. Und die unbequeme Aufgabe der Grünen ist es, den Schaden zu benennen und Handlungsalternativen aufzuzeigen.

Wo sehen die Grünen insgesamt beim Thema Umweltschutz im Landkreis Defizite/Handlungsbedarf?

Gerade auch im Konfliktfeld mit der Landwirtschaft… Das „Gesicht“ unseres ländlich geprägten Landkreises hat sich in den letzten zehn Jahren dramatisch verändert. Eintönigkeit regiert: Über 180 Biogasanlagen haben riesige Maisschläge hervorgebracht, auf ehemaligen Grünlandflächen sind nach dem Umbruch „schnellwachsende Gräser“ eingesät, die 3 bis 4 mal Im Jahr gemäht werden. Der Verlust der Artenvielfalt kann nur dadurch aufgehalten werden, wenn weniger Pflanzenschutzmittel verwendet werden, wenn Blühstreifen an den Ackerrändern angelegt werden und es zu einer Vernetzung von Naturschutzgebieten kommt. Als Ausgleich für den „Minderertrag“ sollte eine Prämie an den Landwirt gezahlt werden. Überhaupt wäre es sinnvoller, wenn man die pauschale Flächensubvention abschaffen würde und dafür die „Landschaftspflege“ oder andere Maßnahmen für den Naturschutz honorieren würde. Eine weitere Maßnahme, um Natur und Umwelt zu schützen, wäre, dass man keine weiteren Ställe für die Massentierhaltung genehmigen würde und den § 35 für das „privilegierte Bauen“ im Außenbereich der Dörfer abschaffen würde.

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