Lent-Kaserne Umbenennung überfällig

Zur Diskussion um den Namen der Lent-Kaserne in Rotenburg hält der Fraktionsvorsitzende der Grünen Reinhard Bussenius im Kreistag folgende Rede:

Umbennenung des Namens der „Lent-Kaserne“ 

Kaum eine Nation hat seine dunkle Vergangenheit so konsequent aufgearbeitet wie Deutschland. Einigen geht das viel zu weit, anderen nicht weit genug. Zu letzteren gehöre ich selbst, der ich über die Friedensbewegung zu den Grünen gekommen bin. Diese Aufarbeitung ist mit heutigem Datum nicht zu Ende. Unser Landrat Luttmann selbst hat am 29. April dieses Jahres bei der Gedenkveranstaltung am Lagerfriedhof in Sandbostel einen guten Beitrag geliefert und die Bedeutung der Erinnerungskultur betont: „Denn damit wollen wir auch die Erinnerung wach halten an das unsägliche Leid, dass das nationalsozialistische Unrechtsregime mit dem 2. Weltkrieg über die Völker Europas gebracht hat.

Adolf Hitler ging es bei diesem Krieg von Anfang an nicht nur um eine deutsche Vormachtstellung in Europa und in der Welt. Seine Kriegspolitik war nicht allein gerichtet auf territoriale Ausdehnung und Herrschaft über fremde Völker(...) Nein, er zielte ab (…) auf die geistige Verführung eines Volkes (…). Viele Deutsche haben sich dabei mitschuldig gemacht, so dass unser Land seit dieser Zeit mit einer schweren historischen Hypothek belastet ist“ Wenn wir auf die historische Hypothek hinweisen, können wir die Rolle der Wehrmacht dabei nicht ausklammern und auch nicht eine gewisse Kontinuität, in der sich auch die Bundeswehr befindet, die anfangs reichlich ehemalige und führenden Wehrmachtsvertreter und NAZIS in ihren Reihen auch wieder an führenden Positionen hatte.

Wenn sich seitdem auch einiges verändert hat – die Bundeswehr muss auch immer wieder kritisch auf den Prüfstand. Die Namensgebung von Kasernen kann dabei nur ein Baustein sein. Ich stelle die Frage, welchen Auftrag die Bundeswehr heute erfüllt, welchen Geist sie heute verkörpert. Ich frage nach den Einsätzen in Afghanistan wo wir laut Peter Stuck – damals Verteidigungsminister – sehr fragwürdig (!) die Freiheit Deutschlands verteidigt haben und verweise auf Margot Käßmann“ Nichts ist gut in Afghanistan“ und darauf, dass die USA ihr Kontingent gerade jetzt nach 16 Jahren wieder um 4000 Soldaten erhöht. Und ich frage mich, was wir z.B. in Mali bewirken.

Eine Armee eines demokratischen Deutschlands sollte sich nur an wirklichen Friedenseinsätzen im Rahmen der UNO beteiligen. Und das sollte sich auch in der Namensgebung von Kasernen widerspiegeln. Mit dem Krieg wurde ich – 1949 geboren – natürlich früh durch die Erzählungen von Eltern und Großeltern konfrontiert. Der in der Tat auch militärische sinnlose Bombenangriff am 12. März 1949 auf Dresden brachte mir als damals 15-jährigen meine Großmutter nahe – selbst Dresdenerin. Ja, es gab diese Kriegsverbrechen auf beiden Seiten, ich erinnere nur an Bombenangriffe der Legion Condor auf Guernica und die der Wehrmacht auf Coventry. Deshalb aber die Piloten der Luftabwehr wie Oberst Lent fast als Helden hochzustilisieren wie Hermann Luttman es im Weser-Kurier vom 24.5.17 tat– sie hätten ja nur englische Bomber abgefangen, die Kurs auf deutsche Städte nahmen und damit die Zivilbevölkerung geschützt- ist allerdings auch ziemlich fragwürdig.

Darum geht es in der Debatte um die mögliche Namensänderung der Lent-Kaserne aber auch gar nicht. Auch die Frage, ob Lent Nazi war oder nicht, spielt eigentlich keine so große Rolle. Mich interessiert nicht, ob Lent in seiner Jugend Jungzugführer war und 1935 Fähnleinführer beim Deutschen Jungvolk, einer Jugendorganisation der Hitlerjugend. Der Text der Erinnerungstafel in Stade hilft da eher weiter: „… seine herausragenden militärischen Leistungen (können) nicht davon abgekoppelt werden, dass sie im Rahmen eines Angriffs- und Vernichtungskrieges für das NS-Regime erbracht wurden(…) (er) handelte stets im Sinne der Kriegsführungspolitik des NS-Staates und legte dabei eine systemkonforme Haltung an den Tag.“ Wirklich Nazi oder nicht ist aber nicht die Frage. Ich berufe mich eher auf die Darstellung unserer derzeitigen Bundesministerin für Verteidigung, mit der ich dieser Frage einig bin und zitiere aus ihrer Rede am 16.5.17 vor Reservisten der Deutschen Bundeswehr in Berlin, die auf den Traditionserlass verweist. „(…)

Ein Unrechtsregime wie das Dritte Reich kann Tradition nicht begründen“, V.d. Leyen fährt dann fort und verweist auf die Inkonsequenz bei der Benennung von Kasernen „Wir verbannen zu Recht den Wehrmachtshelm aus der Stube. Doch am Tor der Kasernen stehen nach wie vor die Namen wie Hans-Joachim Marseille oder Helmut Lent. Beide Namensgeber sind nicht mehr sinnstiftend für die heutige Bundeswehr. Sie gehören zu einer Zeit, die für uns nicht sein kann.

Denn Tradition ist immer eine bewusste Auswahl aus der Geschichte“. Deshalb gibt es für mich und für die GRÜNEN im Kreistag nur die Antwort, dass der Name Helmut Lent für die Kaserne nicht mehr tragbar ist, jedenfalls kein Beispiel gebende Persönlichkeit. Unser Vorschlag ist, den Namen in jedem Fall zu ändern. In Anbetracht der Mehrheitsverhältnisse im Kreistag müsste nach einem konsensfähigen Vorschlag gesucht werden. Der Name „Wümme Kaserne“ wäre jedenfalls nicht problembeladen und wäre außerdem auch noch eine gewisse Werbung für die Region. Wir unterstützen die Änderung des Namens der Lent-Kaserne, auch um die Soldaten nicht dem Verdacht auszusetzen, sie stünden der Wehrmacht nahe. Reinhard Bussenius Bündnis 90/ Die Grünen - Fraktionsvorsitzender der Kreistagsfraktion

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